Neue Räume: ein Perspektivenwechsel

 

JANUAR 11, 2021 | IN PEOPLETHINGS | BY JACKY HALLER

Nur für kurze Zeit war der Workben in der SBB Werkstätte zu Hause. Ab diesem Frühjahr sucht die Werkstattleiterin Lisa Contaldi eine neue, schöne Räumlichkeit in Zürich und hofft auf bessere Aussichten für ein kreatives Leben, Kultur und Entfaltung.


Im Bus in Richtung Zürich-West mache ich Halt an der SBB Werkstätte. Mein Ziel ist der Workben auf dem SBB-Areal zwischen Zürich Hauptbahnhof und Altstetten. Die denkmalgeschützten Werkhallen auf der ehemaligen Industrieanlage an der Hohlstrasse wurden für Zwischennutzungen nutzbar gemacht, bis sie im 2021 zu einem Hotspot für Gewerbe, Kreativwirtschaft und Kultur transformiert werden sollen. Dies hat sich auch der Workben zu Nutze gemacht. Seit Anfang 2020 findet sich darin eine offene Werkstatt, die zum Schaffen an eigenen Projekten einlädt.

Der Workben in der SBB Werkstätte in Zürich Altstetten.

Nach einer Weile finde ich die Hausnummer 418 – ich betrete ein langes Backsteingebäude und folge der leisen Soul-Musik im Gang, bis ich schliesslich vor dem Eingang zum Workben stehe. Durch die offenstehende Tür nehme ich die sanften Klänge von Aretha Franklin und The Spinners wahr und erhasche einen schnellen Blick in das offene, helle Atelier. Lisa erblickt mich und winkt mich freundlich herein. Lisa Contaldi hat den Workben mit aufgebaut und bietet dort regelmässig kreative Workshops an. Heute hat sie zum Studio Open Day eingeladen. Sie steckt in den letzten Vorbereitungen und ist gerade dabei, die Getränke für die Gäste kühl zu stellen. Bei einem Kaffee reden wir über das vergangene Jahr und ihre Vision mit dem Workben.

 

Farben, Licht und Räume

Während Lisa erzählt, schaue ich mich um. Vom Spülbecken über die Dunkelkammer bis zur Tribüne bietet der Raum die komplette Infrastruktur, die es braucht als Atelier für Siebdruck, Lasercutting und Holzbearbeitung. «Alles selbst gestaltet», meint sie stolz. Zusammen mit ihrer Freundin Lorena, mit der sie das Studio Heinrich gegründet hat, hat Lisa das Raumkonzept und die Farbgestaltung gemacht. Aufgebaut hat sie den Workben mit Hilfe von Marcio von MakeThings. Ihn kennt sie von gemeinsamen Atelierzeiten aus St. Gallen. Er war es auch, der sie vor zwei Jahren auf den Raum in den SBB-Werkhallen aufmerksam gemacht hatte. Kurz darauf haben sie darin zusammen eine Werkstatt eingerichtet. Dabei haben sie auch auf ein harmonisches Farbkonzept Wert gelegt. «Ein Raum muss offen, hell und einladend wirken und vor allem Lust machen, darin zu arbeiten», so die Kreativschaffende. Auch ist sie der Meinung, dass ein Keller ohne Tageslicht die Kreativität blockiert.

Die durchgehende Fensterfront, harmonisch abgestimmte Farben und die abgeschrägte Ecke der Siebdruck-Dunkelkammer sorgen für ein offenes Raumkonzept. Bis anhin hat der Workben noch kein neues, vergleichbares Zuhause gefunden. Er sei noch nichts Passendes dabei gewesen.

Gleichzeitig soll der Workben auch für Events, Workshops oder als Workspace genutzt werden können. Dazu haben sie eine Tribüne hineingebaut, auf denen sich helle Arbeitsplätze auf der Höhe der Fenster befinden. «Alles genauestens durchdacht», so Lisa und zieht eine der langen Schubladen unter der Tribüne auf, die grosszügigen Stauraum für Gerätschaften und Materialien bietet.

 

Aller Anfang ist schwer

Mit dem Lockdown im März vergangenen Jahres hatte der Workben keinen leichten Start. Anfang 2020 wollte Lisa mit Kursen und Workshops richtig durchstarten. Dann folgte eine längere Achterbahnfahrt. Doch sie rede hierbei im Namen von vielen, in diesem turbulenten Jahr sei es allen ähnlich ergangen. Dennoch ist Lisa der festen Überzeugung, dass der Workben mit seinem Angebot extrem Erfolg haben kann. Im Sommer sei die Nachfrage enorm angestiegen. Diesen Anstieg hat dann allerdings die zweite Welle wieder abgeflacht, insbesondere bei den Kursbuchungen. «Ein schwieriges Jahr, etwas Neues aufzubauen. Aber es kommen wieder bessere Zeiten. Darauf freue ich mich besonders. Solange gebe ich nicht auf und investiere meine Zeit in die Raumsuche», meint Lisa, die nebenbei als Lehrerin in Bildnerisch Gestalten an einer Schule unterrichtet.

Die Leute hatten Lust, aktiv zu werden und nutzten die Werkstatt intensiv.»

Selbst ist die Frau

Die ursprünglich gelernte Schneiderin könnte nie auf kreatives Schaffen verzichten – «ich brauche das als Erholung». Deswegen wollte Lisa schon damals einen kreativen Beruf ausüben und ein Handwerk erlernen, abseits der Arbeit vor dem Computer. Obwohl sie die typischen Schulprojekte in der Handarbeit gelangweilt haben, entschied sie sich zu einer Ausbildung als Schneiderin und hat sich über die Jahre hinweg zusätzlich selbst ein grosses gestalterisches Wissen angeeignet. Learning by doing – so mache sie es auch jetzt noch als Lehrerin. «Wenn ich ein vorgegebenes Thema erhalte, mache ich mir Gedanken dazu, was ich mit der Klasse dazu realisieren könnte. Mit den heutigen Möglichkeiten ist es dann eigentlich ein Leichtes, man kann alles recherchieren, sich Tutorials anschauen und dann einfach selbst ausprobieren. So entstehen tolle Projekte, die sowohl für die Schüler als auch für mich spannend sind. In der Handarbeit habe ich mir selbst immer gewünscht, solche Sachen zu machen», erzählt Lisa. Ihr ginge es auch darum, das Talent und die Interessen der jeweiligen Schüler zu fördern.

Mit ihrer Klasse arbeitet sie derzeit in der Holzwerkstatt an einer LED-Stehlampe, wobei die Schüler Hexagonformen zusammenlöten und in der Software die Farbigkeit und das Blinken der LEDs programmieren. Zudem hat sie diverse Lasercut-Projekte mit den Schülern umgesetzt.  «Mit dem Lasercutter ist es super einfach ein Logo oder einen Schriftzug auf Holz oder Metall auszuschneiden», erklärt Lisa begeistert und führt mir an der Maschine direkt vor, wie schnell sich die Buchstaben auf Klebefolie auslasern lassen, um sie danach als Beschriftung auf ein Schild anzubringen.

 

Feuer und Flamme

Auch der Siebdruck fasziniert die Kids mindestens genauso wie ihre Lehrerin. Aus Freude an schönen Stoffen hat Lisa 2016 ihr eigenes, nachhaltiges Kleiderlabel Licon gegründet. Die Entwürfe, Schnitte und Prototypen der T-Shirts, Blusen und Strickwaren stellt Lisa, die davor mehrere Jahre für namhafte Modefirmen gearbeitet hatte, selbst her. Ein stringentes Farbkonzept taucht auch bei ihrem Label auf – jede Kollektion steht unter einem farblichen Motto, die aktuelle Winterkollektion nennt sie «Purple Cloud». Für ihr Kleiderlabel hatte sie aus Neugier einst selbst einen Siebdruck-Kurs besucht. «Ich war begeistert, wie sich die Motive relativ simpel auf ein Sieb bringen und daraus schöne Drucke machen lassen», so Lisa.

Inzwischen ist der Siebdruck eine Leidenschaft von ihr, den sie auch für Licon anwendet. Darum habe sie auch einen Ort gesucht, wo sie einerseits selber siebdrucken als auch die Freude an diesem Druckverfahren weitergeben kann. Umso trauriger sei es, dass sie per Ende März dieses Jahres bereits wieder aus diesem Raum müssen. Deswegen sind sie nun auf der Suche nach einer neuen, preiswerten Atelierlocation in Zürich. Auf die Frage, was ihr grösster Wunsch ist für dieses Jahr, antwortet Lisa entsprechend: «Dass wieder etwas mehr Ruhe einkehrt, privat wie auch mit dem Workben. Und vor allem eine schöne, neue Räumlichkeit, die viel genutzt werden und in der ich wieder Kurse im Siebdruck und Lasercutting geben kann».

MakeThings wünscht gutes Gelingen und hofft auf ein kreatives Jahr 2021!

 

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