Siebdruck im Printclub Bodensee

«I Don’t Wanna Wear It» – so heisst das kleine T-Shirt-Label von Amiel Lammersdorf, das der Gestalter in seinen Jugendjahren in Barcelona gestartet hatte. Auf der Suche nach einem Ort, wo sich die T-Shirts drucken lassen, ist der selbstständige Grafiker zufällig auf den Print Club Bodensee gestossen, den er seit Beginn des Jahres mit grosser Leidenschaft mitaufbaut und leitet.


Es ist ein kalter, grauer Samstagnachmittag in St. Gallen. Hastig laufe ich vom Bahnhof in Richtung des Feldliquartiers. Nach einem viertelstündigen Fussmarsch stehe ich vor einem ehemaligen Gewächshaus. Darin befindet sich versteckt, inmitten eines Wohnquartiers, der Print Club Bodensee. Wo früher Pflanzen herangezüchtet wurden, entstand 2017 eine Siebdruckwerkstatt. Heute besuche ich den Einsteigerkurs im Textil Siebdruck. Gespannt betrete ich das lichtdurchflutete, weitläufige Glashaus. Die anderen Kursteilnehmer erwarten mich bereits und Amiel Lammersdorf empfängt mich herzlich. Der selbstständige Grafiker und Gestalter leitet den Print Club Bodensee seit Beginn des Jahres. Ich fühle mich auf Anhieb wohl, trotz der Kälte, die durch die Fenster in den Innenraum dringt. Die Offenheit des Raumes und der Menschen hier geben mir ein wohliges Gefühl.

Ein erster Eindruck

Als Erstes machen wir einen kurzen Rundgang durch die aussergewöhnliche Siebdruckwerkstatt, wobei uns Amiel begeistert die einzelnen Stationen und Gerätschaften erklärt. Der Raum ist durchgehend von Fenstern umgeben. Die alten Pflanzentröge entlang den Fenstern wurden mit Platten abgedeckt und zu Arbeitsflächen umgenutzt. Dadurch wirkt der Raum hell und grosszügig und lädt zu kreativem Schaffen ein. Das findet auch Amiel: «Ich bin enorm glücklich darüber, diesen Raum gefunden zu haben und hier arbeiten zu dürfen». Vor vier Jahren entschied sich der selbstständige Grafiker und Gestalter in der Schweiz zu leben und zog von Barcelona an den Bodensee. Geboren in Deutschland und aufgewachsen in Spanien fiel es ihm anfangs nicht leicht, hier Fuss zu fassen. Zwar habe er in Zürich sofort einen Job als Grafiker gefunden. Allerdings frustrierte ihn die Corporate Welt enorm. «Ich fühlte mich einfach nicht wohl und es fehlte mir der Kontakt zu ‚normalen’ Menschen, mit denen ich gemeinsame Interessen teilen kann, wo es nicht immer nur um die Arbeit und das Geld geht», erzählt Amiel.

Womit alles begann…

Die Ausbildung zum Grafiker absolvierte der mittlerweile 41-Jährige in Barcelona. Davor wusste Amiel nicht, was er mit seinem Leben anstellen wollte. «Mit 16 Jahren spielte ich Bass in einer Punkrock-Band. Für unsere Konzerte wollte ich T-Shirts als Merchandise kreieren. So experimentierte ich zum ersten Mal mit grafischen Designs und es entstand mein erstes T-Shirt für unsere Band», erinnert er sich. Das grafische Handwerk machte ihm Spass. Darum wollte er es mit 30 Jahren endlich richtig lernen und entschied sich zu einem Studium in visueller Kommunikation. Inspiriert von den Punk-Bands, die ihn am meisten faszinieren und in seinen Jugendjahren geprägt haben, hat Amiel vor fünf Jahren unter dem Namen ‚I Don’t Wanna Wear It’ ein eigenes kleines T-Shirt-Label gestartet. Die selbstdesignten T-Shirts liess er in Barcelona in Kleinauflagen produzieren und verkaufte sie über seinen Instagram-Kanal. «Überraschenderweise waren die T-Shirts immer rasch ausverkauft. Einerseits, weil sie limitiert waren. Andererseits ist die Punk-Szene klein. So hatte das Label schnell einen Bekanntheitsgrad erlangt und die T-Shirts waren ein Selbstläufer. Die Nachfrage ging vor allem von Japan und den USA aus. Zu sehen, dass Menschen auf der ganzen Welt gefällt, was ich mache, bereitete mir grosse Freude», erzählt der T-Shirt-Designer. Auf diese Weise kam er plötzlich mit Leuten von überall in Kontakt. Sogar seine Lieblingsband wurde über sein Label auf ihn aufmerksam und fragte ihn an, ein T-Shirt für sie zu kreieren. Ziel sei aber nie gewesen, damit Geld zu verdienen, sondern der Spass daran zählte bei diesem Projekt. Und etwas Eigenes zu haben. Sein Leben lang hat der Grafiker mit oder für jemanden gearbeitet. «In der Vergangenheit habe ich immer wieder Dinge begonnen und oft nicht zu Ende gebracht. Dieses Label ist das einzige Projekt, welches ich zu 100% mein Eigenes nennen kann und ich nun auch schon länger nebenbei führe, wenn ich Lust dazu verspüre. Diese totale Entscheidungsfreiheit schätze ich», erzählt Amiel stolz.

 

Label «I don’t wanna wear it» ist limitiert. Maximal 50 Exemplare druckt er davon, und jedes Mal sind sie rasch weg.

Chaos und eine Badewanne voller Farbe

In der Schweiz wollte Amiel sein Projekt unbedingt weiterführen. Den Produktionsstandort in Spanien musste er allerdings aufgeben, da sich ein Versand in die Schweiz zuzüglich den Zollgebühren nicht lohnte. Zumal der Endpreis der T-Shirts bei einem Druck in der Schweiz zu teuer würde, entschied er sich dazu, sich das Siebdruckverfahren selber beizubringen. «Das war ein riesiges Chaos. Die Badewanne zu Hause war voller Farbe und das Badezimmer dreckig», lacht Amiel, als er an seine Startversuche mit dem Siebdruck zurückdenkt. Darum machte sich der Designer auf die Suche nach einer Garage, wo er drucken kann. Über zufällige Kontakte stiess er im Herbst 2019 schliesslich auf den Print Club Bodensee. Als Neuling in der Stadt, war Amiel am richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und lernte da wertvolle Kontakte kennen. Der Print Club war zu jener Zeit gerade im Aufbau und der Verein benötigte hierbei noch Unterstützung. Da der Grafiker kurz davor seinen Job in Zürich aufgab, um in St. Gallen nochmals einen Neuanfang zu wagen, hatte er Lust und Zeit, sich fortan im Verein beim Aufbau des Print Clubs Bodensee zu engagieren. «Statt bloss eines Raumes hatte ich plötzlich ein riesiges Gewächshaus. Zudem war ich Mitglied in einem sechsköpfigen Verein und verantwortlich für ein spannendes, neues Projekt. Damit hatte ich bei der Kündigung meines Jobs ein paar Monate vorher nie gerechnet», strahlt Amiel. 

Faszination Siebdruck

Inzwischen zeigt uns Amiel in der Dunkelkammer, wie wir das Sieb vorbereiten, um es nach dem Trocknen mit unserem Sujet zu belichten. Idealerweise bringt jeder Kursteilnehmende eine fertige Idee oder einen Entwurf mit, digital oder analog in Form von Zeichnungen, um dann eine Schablone für den Druckprozess vorzubereiten. Hierfür muss man etwas Geduld mitbringen, denn das Vorbereiten der Vorlagen nimmt – vergleichsweise zum eigentlichen Drucken – enorm viel Zeit in Anspruch. Als Grafiker fand er die Siebdrucktechnik schon immer ein faszinierendes Medium, um Grafiken auf Papier oder Textil zu bringen: «Beim Siebdrucken erlebt man den ganzen Prozess von der digitalen Grafik bis zum physischen Endprodukt und kommt mit dem Material und der Farbe in Kontakt, was ich viel spannender finde, als nur am Rechner zu sitzen. Obwohl sich Amiel selbst als Amateur im Siebdruck bezeichnet, erklärt er uns kompetent, wie wir die Farbe mit dem Rakel auf unsere Textilien auftragen sollen. «Mit Farben kann ich nicht so gut umgehen, ich mache immer alles dreckig», gibt er lachend zu. Überhaupt sei Siebdrucken Übungssache. «Bevor ich selbst zum ersten Mal gedruckt habe, habe ich x-Male zugeschaut.»

«Räume eröffnen neue Welten und öffnen Menschen»

Genug zugeschaut. Nun sind wir an der Reihe. Der erste Druck schaut schon ziemlich passabel aus. «Nahezu perfekt!», lobt Amiel mit seinem sympathischen, spanisch rollendem R, sofern es so etwas wie perfekt im Siebdruck überhaupt gibt. «Auch bei grösseren Auflagen von bis zu 500 Stück trägt jeder einzelne Druck am Schluss seine eigene Handschrift», erklärt der Gestalter seine Begeisterung für den Siebdruck. Nach knapp vier Stunden sind alle Kursteilnehmer fertig mit ihren Prints. Beim gemeinsamen Aufräumen tauschen wir uns über die Idee hinter unserer persönlichen Mini-Auflage von Stofftaschen und T-Shirts aus und bedanken uns beim Kursleiter für seine Zeit und Geduld. Nun verstehe ich Amiel, wenn er sagt, dass es im Moment seine Lieblingsbeschäftigung sei, im Print Club zu sein. In einem grossen, hellen Raum mit netten Leuten und an einer kreativen Tätigkeit, die Spass macht. «Ich bin wahnsinnig froh und dankbar darüber, dass im vergangenen Jahr eine Reihe von Zufällen dazu führten, dass ich all diese tollen Menschen kennengelernt habe, von denen ich etwas lernen kann, die motiviert sind, mit mir zusammen etwas aufzubauen und bei denen ich ich sein kann», betont er. Insofern habe ihm dieses helle, offene Glashaus eine neue Welt eröffnet. «Hier findet ein offener Austausch untereinander statt, man teilt sich mit. Ich glaube, dass der offene Raum eine offene Kommunikation begünstigt. Darum sind der Print Club Bodensee und die Leute, mit denen ich hier tagein, tagaus im Austausch bin, mein persönliches Highlight von 2020. Mein Ziel für nächstes Jahr ist, mich und den Print Club weiterbringen, organisch zu wachsen und unsere Idee voranzutreiben. Denn ich und der Print Club Bodensee sind offen für alles.»

Beschwingt von diesem eindrucksvollen Nachmittag laufe ich zurück in Richtung Bahnhof. Im Zug nach Zürich begleiten mich Amiels Worte noch eine ganze Weile. Amiel hat Recht: Räume verändern Menschen! 


Hast auch du Lust bekommen, Siebdruck auszuprobieren und dein eigenes T-Shirt oder eine Stofftasche zu bedrucken?

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