Typorama Bischofszell

Im Typorama hat Bleisatz und Buchdruck Zukunft

Seit Anfang 2020 leitet Percy Penzel das Typorama in Bischofszell (TG) – ein typografisches Museum und Produktionsbetrieb, in dem die über 500 Jahre alte Handwerkstradition des Bleisatzes und Buchdrucks nach Gutenberg Zukunft hat. Wer sich selber als Schwarzkünstler versuchen möchte, kann sich in verschiedenen Workshops bald selber die Hände an den Setz- und Druckmaschinen schmutzig machen.

Ein Wirrwarr von klopfenden und knatternden Tastengeräuschen erfüllen den Raum, wenn man das Typorama betritt. In der Halle findet man eine Vielzahl von Maschinen vor, von welchen das Klicken und Klacken herrührt. Alle sind sie aus dem 19. und 20. Jahrhundert – die Älteste stammt sogar ungefähr aus dem Jahr 1850. Dennoch laufen sie immer noch auf Hochtouren. Es handelt sich hierbei um Setz- und Druckmaschinen. Das Typorama beherbergt eine beeindruckende Sammlung davon.

Das Museum für Satz und Druck beherbergt auf rund 1’000 Quadratmetern eine Handsetzerei mit circa 20 Setz- und 30 Druck-maschinen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Ein Museumsbetrieb in Betrieb

«Das Besondere ist, dass alle Maschinen immer noch voll funktionstüchtig sind und in unserem parallel laufenden Produktionsbetrieb zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu anderen Museen für Satz und Druck können die Besucher hier das traditionelle Handwerk so in ihrem ganzen Umfang erleben», erklärt Percy. Während den betrieblichen Öffnungszeiten können selbstständige Rundgänge oder auf Anfrage Führungen durch die Sammlung gemacht werden. Zusätzlich finden jeden ersten Sonntag im Monat öffentliche Führungen statt. «Zu sehen, wie die Maschinen funktionieren, das interessiert die Leute», so Percy. Die Besucher sollen aber auch selber Hand anlegen können. Interessierte sollen ab Sommer wieder aus einem Angebot verschiedener Kurse und Workshops für Setz- und Druckmaschinen auswählen können, in denen sie die Kunst des Bleisatzes und Buchdruckes erlernen können.

 

Lust, selber einmal Hand anzulegen?

Diese Kurse und Workshops sind über MakeThings buchbar:

16. Juli | Letterpress-Workshop

17. bis 19. September | Linotype Einsteiger-Kurs

LINOTYPE-EINSTEIGERKURS

LETTERPRESS-WORKSHOP

Der Reiz an der Feinmechanik und Gutenbergs Erfindung

Auf die Technik des maschinellen Bleisatzes ist Percy selber während seines Zivildiensts in Deutschland gestossen, wo er mit Kindern und Jugendlichen Spielkarten kreiert und bedruckt hatte. Fasziniert von der Mechanik der altertümlichen Maschinen und deren technischen Feinheiten, die im analogen Verfahren für ein schönes Druckergebnis beachtet werden müssen, wollte Percy sich das Handwerk selber aneignen. Hierzu kam er über Kontakte in die Schweiz nach Bischofszell, wo er an der Seite von seinem Mentor Paul Wirth lernte. Er führte das Typorama seit seiner Gründung als ursprüngliches «kleines Setzmaschinen-Museum» 1979 als Ein-Mann-Betrieb und führte Percy für die Sicherstellung seiner Nachfolge innert fünf Jahren in die Welt des Setzens und Druckens ein.

«Hat man erst mal die Prinzipien erkannt, mit welcher die Mechanik der altertümlichen Maschinen bedient werden kann, eröffnet sich ein riesiges Universum für experimentelles Arbeiten», schwärmt der 42-Jährige. Ausgelernt habe man allerdings nie. Es lässt sich immer noch weiter darin vertiefen, experimentieren und perfektionieren. Immerhin steht sowohl hinter dem Bleisatz als auch dem Buchdruck eine über 500 Jahre alte Entwicklungsgeschichte, die bis ins 15. Jahrhundert zu Gutenberg zurückreicht. «Während im Digitaldruck Fehler einfach überschrieben werden können, sieht man es sofort, wenn man nicht ordentlich mit Bleisatz arbeitet. Zumindest, sobald man einen Blick dafür entwickelt. Handsetzerei erfordert höchste Perfektion», so Percy weiter. Darum dauerte früher die Ausbildung zum Drucker oder Setzer je vier Jahre, wo auf ein bis zwei verschiedenen Maschinen gelernt und gearbeitet wurde. Indessen steht im Typorama eine Vielzahl an Modellen von Setzmaschinen für Kurse und Workshops als auch die Produktion, weswegen Percy im Tagesbetrieb immer wieder Neues dazulernt.

Zuverlässigkeit ist ihre Stärke: Die Heidelberg Tiegel ist heute noch, seit mehr als 100 Jahren, eine der verbreitetsten Druckpressen. Auch ihr Bruder, der Heidelberg Zylinder mit Bau-jahr 1967 ist seit mehr als 50 Jahren im Einsatz.

Im Typorama gibt es keinen Still-stand: Von der Kniehebelpresse über den Rock-stroh Kobold Automat bis zur Linotype Setz-maschine – die Setz- und Druck-maschinen laufen seit eh und je und sind regelmässig im Einsatz, sowohl für das Museum, den Produktions-betrieb als auch für Kurse und Workshops.

Von analog zu digital

Nebst der analogen Auseinandersetzung mit dem Bleisatz und Buchdruck ist Percy seit Übernahme der Leitung Anfang 2020 vor allem mit der Umstrukturierung vom Typorama beschäftigt. Als Zeuge einer faszinierenden Industriegeschichte beinhaltet dies, das Wissen darüber digital zu archivieren und die veralteten Schriftdatenbanken zu digitalisieren, um es den nachfolgenden Generationen zu bewahren. Denn der Schwarzkünstler ist der Überzeugung, dass der Bleisatz weiterhin Zukunft hat. «Wir sind heute im digitalen Zeitalter an einem Punkt angelangt, wo zweierlei passiert. Einerseits wird aus wirtschaftlichen Gründen auf eine kostengünstige Produktion geachtet. Andererseits ist in unserer Gesellschaft das Bedürfnis nach Individualismus stark ausgeprägt, sodass Analoges und Manuelles auch bei jungen Menschen wieder attraktiv wird. Dies zeigt sich auch im Typorama, in Form von Aufträgen für besondere Druckerzeugnisse wie hochwertige Visitenkarten oder Hochzeitseinladungen oder von Anmeldungen für Kurse, in denen Interessenten den Bleisatz und Buchdruck selber ausprobieren möchten», erklärt Percy. Denn im Digitaldruck seien die Spezialitäten vom analogen Verfahren wie Goldprägungen nur annähernd zu imitieren.

Über gut 3’000 Schriftsätze ver-fügt die Schrift-datenbank vom Typorama. Die Bleibuchstaben sind das Hand-werkszeug eines Schriftsetzers für den Handsatz.

Der Schwarzkünstler plädiert gegen die Schwarzmalerei

Dennoch erhält das Typorama eher wenig Zuwachs an jüngerem Publikum, was der leidenschaftliche Drucker und Setzer bedauert. Die Produktionsstätte und das Museum betreibt Percy mit der freiwilligen Unterstützung von Veteranen. Sein Wunsch wäre es, dass auch jüngere Leute Zugang finden und das Kursangebot sowie bestimmte Bereiche im Typorama für sich nutzen. Auch, um bei den Hilfskräften etwas aufzustocken. «Dazu muss man nicht unbedingt gelernter Drucker sein. Auch Maschinenbauer, die sich für die Maschinen als Grundlage ihrer Disziplin begeistern lassen und Kenntnisse darin mitbringen, oder Grafiker, die sich für Schriften und Kunstdrucke interessieren, sind bei uns willkommen», merkt Percy an. Trotzdem möchte Percy nicht schwarzmalen und bleibt optimistisch: «In Italien und den USA ist die althergebrachte Bleisatztechnik, insbesondere die Holzschriften, aktuell sehr angesagt. In der Schweiz ist der Trend bloss noch nicht angekommen».

Nur noch eine Frage der Zeit, bis die Holzschriften als Trend auch in die Schweiz über-schwappen.

Solange schafft Percy in Kursen und Workshops besondere Erlebnisse, mittels jener er versucht, die Begeisterung für das Setzen und Drucken an der Maschine auch bei der jüngeren Generation in Schulführungen aufleben zu lassen. «Fassbar wird die Handsetzerei erst, wenn man das Verfahren einmal mit eigenen Augen gesehen oder gar selbst einmal ausprobiert hat. Die meisten sind danach fasziniert davon», garantiert Percy. Das Typorama ist ein Treffpunkt für jung und alt, Kreativschaffende, Handwerker, Techniker, Mechaniker und Maschinenbauer. «Ob beim Einrichten oder Auseinanderschrauben der Maschinen oder Experimentieren mit Druckerschwärze, hier darf sich unabhängig von Alter, individuellem Interessens- oder Spezialbereich jeder seine Hände schmutzig machen», lädt Percy alle nach Bischofszell ein, die Freude daran haben, die alte Technik kennenzulernen oder sie bereits zu schätzen wissen. Denn die Faszination sei es, die das Typorama am Leben hält. Solange die Maschinen laufen und die Menschen kommen, die sich für die Maschinen und das traditionelle Bleisatz- und Druckverfahren interessieren, bleibt dieser Ort lebendig.

Nebst dem traditionellen Buchdruck lassen sich an den Setz- und Druckma- schinen auch neue Druckmöglich-keiten und eine Vielfalt von grafischen Ideen ausprobieren, die man normaler-weise nicht mit dem Bleisatz umsetzt.

Willst auch du in die Welt von Gutenberg eintauchen und das Setzen und Drucken selber ausprobieren? Schon bald findest du ein Angebot von Kursen und Workshops im Typorama auf MakeThings.