Ein Beitrag über Sascha Tittmann

Grafik, Illustration, Siebdruck und Musik bestimmen abwechselnd seinen Alltag. Sascha Tittmann ist als Mitinhaber und -gründer des Designstudios Büro Sequenz, Mitinitiant des Print Club Bodensee und freischaffender Musiker kreativ vielseitig unterwegs.
Seinen Weg dahin führte massgebend über die Pop-und Punk-Kultur der 80er-Jahre, die ihn nachhaltig geprägt hat. Inspiration für sein kreatives Schaffen holt er sich bis heute davon.

An was arbeitest du gerade?

Aktuell bin ich intensiv mit meinem neuen Musikprojekt beschäftigt. Nachdem meine Band und ich 2017 nach 12 Jahren unser ziemlich erfolgreiches Post Punk-Projekt «Herr Bitter» aufgelöst haben, schrieb ich selber viele Lieder. Seit letztem Jahr arbeite ich mit einem Produzenten zusammen an einem Album mit dem Ziel im Elektro-Pop eine neue Sprache zu finden. Die Songs klingen dadurch sehr eigenständig und sind bestimmt nicht allzu kommerziell. Mehr darf ich dazu leider im Moment noch nicht verraten (lacht).

Nach dem Feier-abend im Home Office wechselt Sascha meistens in den Raum nebenan: In sei-nem Studio ver-bringt er derzeit viel Zeit für die Aufnahme eines neuen Albums.

]Wir bleiben gespannt… Das heisst, dass sich dein Fokus momentan vor allem auf das Musikmachen richtet?

Nicht nur. Coronabedingt stecke ich derzeit viel Energie in die Agentur. Unsere Kunden sind mehrheitlich aus dem Kultur- und Bildungsbereich, wo die Budgets zusammengestrichen wurden. Darum müssen wir den Dampfer auf Kurs halten.

Also wolltest du dich in dieses Handwerk vertiefen mit dem Ziel, einerseits farbechtere Plakate gestalten und besser grafisch denken zu können?

Der Siebdruck ist für mich ein Ventil. Einerseits kann ich mich dabei, genauso wie auch auf dem Risographen im Büro, total austoben. Gleichzeitig lerne ich mit jedem Siebdruck neue Gestaltungs- und Rasterungsprinzipien, was ich wieder auf meine Arbeit als Grafiker adaptieren kann. So ist der Siebdruck für mich andererseits eine permanente Weiterbildung. Die Arbeit als Grafiker ist gestalterisch nicht immer nur befriedigend. Hinter jedem Kundenauftrag steckt in erster Linie viel Konzeptarbeit. Es ist von Vorteil, wenn man verschiedene Stile beherrscht und diese dem Kunden überzeugend vermitteln kann. So bringe ich in der Beratung von Kunden oft auch den Siebdruck ins Spiel, der eine gewisse Eigenständigkeit und Qualität aufweist und transportieren kann. Mir ist es persönlich wichtig, dass von Plakaten über Produktverpackungen bis zu Einladungskarten alles kohärent bleibt. Ich versuche, die verschiedenen Disziplinen miteinander zu verknüpfen.

Illustration, Sieb-druck oder Riso-graphie – auf Glas oder Papier, als Produkt, Kultur-plakat oder freie Arbeit: ein Einblick in Saschas graf-ische Arbeiten. Die erste mit dem Na-men «Tugboat» be-zeichnet Sascha als eine Art Selbst-portrait.

Hast du dir das Druckverfahren hierzu eigenhändig beigebracht?

Meine Ausbildung zum Grafiker habe ich in der Schweiz absolviert, wo formale Disziplin und Strenge in Reduktion und Typografie vermittelt wurden. Andererseits wurde man im Hinblick auf die kommerziellen Aspekte des Berufes dazu ausgebildet wahrnehmungspsychologischen Regeln zu befolgen und die volle Bandbreite der visuellen Sprache auszunutzen. In meinem Alltag bediene ich mich beider Haltungen. Meine freien Arbeiten dienen dem Ausgleich, dem Experiment. Während einem Austauschsemester ging ich nach Warschau an die Kunstakademie und besuchte die Plakatklasse, wo die Entwicklung einer eigenen gestalterischen Handschrift gefördert wird. Dort habe ich gelernt, meine persönliche Handschrift als Grafiker auch anzuwenden und zu festigen, wobei und ich begann, mich intensiver mit verschiedenen Drucktechniken auseinanderzusetzen. Die letzten Jahre war ich dazu und für freie Arbeiten auch immer mal wieder für längere Zeit in London, wo ich im Print Club London an freien Arbeiten herumexperimentierte und dabei den Austausch mit der Siebdrucker- und Illustratorenszene da sehr zu schätzen lernte. Weil ich auch in meiner Heimat St. Gallen viele Illustrator*innen kenne, brachte mich dies auf die Idee, auch in der Region am Bodensee einen solchen Ort aufzubauen.

«Meinen Zugang zur Grafik fand ich über den Metallica- und Iron-Maiden-Schriftzug.»

Und wieso bist du es nun trotzdem?

Als Antireaktion nach der Fachklasse habe ich mit meiner Partnerin zusammen eine regionale Nachwuchsplattform für Trickfilm und Comic aufgebaut. Zu jener Zeit begann sich die Illustrationsszene gerade erst zu etablieren. Mit unserer Vermittlungsarbeit, die u.a. eine Publikations-, Veranstaltungsreihe und Trickfilmabende beinhaltete, haben wir mehrere Preise gewonnen und waren mit diesen Trickfilmprogrammen in der Schweiz auf Tournee. Obwohl wir uns damals mit dem Verein in der Szene ziemlich etablieren konnten, entschieden wir uns gegen eine Professionalisierung in Form eines Festivals. Über die Tätigkeit erhielten wir allerdings einige kommerzielle Anfragen für Illustrationen und Infofilme, weswegen wir 2006 schliesslich in einem lustigen Ladenlokal und ohne Businessplan eine GmbH mit dem Namen Büro Sequenz und dem Anspruch an Kulturvermittlung gründeten. Seither wandelte sie sich von einem Illustrations- und Trickfilm-Studio zu einer eher konzeptorientierten Kommunikationsagentur mit hohem Qualitätsanspruch und grossem Illustrationsanteil.

Es war also nie deine Absicht, diesen Weg einzuschlagen?

Nein, denn ich wollte noch nie etwas machen, was von mir erwartet wird (lacht). Auch wollte ich Erfolg nie konstruieren oder mich selber beweisen müssen. Viel eher habe ich geschaut, wo ich in dem Umfeld, das mir Spass macht und in dem ich authentisch bleiben kann, etwas bewegen und meine Lebenserfahrungen einbringen kann. Durch diese Grundeinstellung sind wir auch kein klassisches Grafik-Studio. Obwohl wir alle aus dem Grafik-Bereich kommen – ohne universitären Hintergrund einer Marketing-Ausbildung machen wir oft auch eine redaktionelle Begleitung und integrierte Kommunikation. Unsere Aufgabe nehmen wir in der inhaltlichen Ergänzung mit unserer Sichtweise wahr, indem wir versuchen, dem Kunden die richtigen Fragen zu stellen und darauf Antworten zu finden. Entsprechend führen wir Kundenaufträge eigentlich nie gemäss Briefing aus. Diese «Punk-Attitude» begleitet mich nicht nur in der Musik, sondern kommt auch in unserer Agenturphilosophie und generell in meiner Art und Weise zu arbeiten zum Ausdruck (lacht).

Punk als eine Lebenswahrheit – dein Schlüssel zum Erfolg?

Grundsätzlich habe ich einfach immer das gemacht, was ich am liebsten mochte. Generell denke ich, dass Menschen am Glücklichsten sind, wenn sie das machen, was sie unbedingt machen wollen. Entsprechend rate ich jedem Einzelnen, dem nachzugehen, was einem am meisten liegt und Freude bereitet. Hierbei springt am meisten raus. Auch wenn es nicht auf Anhieb klappt: dranbleiben und weiterprobieren. Jede Erfahrung bringt dich weiter, anders zu denken und zu beobachten. Solange man das tut, was man gerne tut, ist man auf dem richtigen Weg. Dazu haben wir in der Schweiz das Glück, in der privilegierten Lage zu sein, uns die Freiheit nehmen zu dürfen, unseren Träumen und Leidenschaften nachzugehen.

«Beim Pilzesam-meln kann ich to-tal Abschalten.»


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