Roger Berhalter (Text), Sara Spirig (Bilder)

Holzwerkstatt Enlain in Laax
Jedes Brett ein Einzelstück

In der Holzwerkstatt Enlain in Laax kann man in zwei Tagen seine eigenen Snowboards oder Skier bauen. Ein Werkstattbesuch bei Brettfanatikern, einer fahrenden Disco und einem gelaserten Hirsch. 

Urs Welti sitzt kerzengerade und konzentriert am Computer. Rund um ihn herrscht lärmiger Werkstattbetrieb, aber Welti hat nur Augen für den Hirsch, der vor ihm auf dem Bildschirm prangt. Kursteilnehmerin Vreni hat das Motiv ausgewählt, sie möchte es auf ihre Skier gravieren lassen, die sie an diesem Wochenende selber baut.

So geht es bei Enlain in Laax an fast jedem Winterwochenende zu und her: Innert zwei Tagen fertigen jeweils bis zu acht Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer ihre eigenen Skier oder Snowboards. Am Samstagmorgen reisen sie an, dann fräsen, bohren, leimen und schleifen sie – und am Sonntagabend gehen sie mit ihren eigenen Brettern nach Hause.

Konzentriert am Bildschirm: Urs Welti (sitzend) und Pirmin Wey werfen einen letzten Blick auf das Motiv, bevor sie den Laser starten.

«Weimers probiere?», fragt Urs Welti in seinem Berner Dialekt. Seit zehn Jahren wohnt er mit der Familie in Falera, seit 4 Jahren bietet er unter dem Namen Enlain (rätoromanisch für «aus Holz») Selbermachkurse für alle möglichen Bretter an: Surfboards, Wakeboards, Kiteboards, Balanceboards, Skateboards und jetzt, im Winter, eben Snowboards und Skier.

Zufrieden blickt der 51-Jährige auf das Paar Ski, das er im Lasercutter positioniert hat. Dann startet er die Maschine, der Laser saust hin und her und brennt qualmend das gewünschte Motiv ins Holz. Nach und nach, Linie um Linie, erscheint der Hirsch vom Computerbildschirm als schwarze Gravur auf der Oberfläche. Kursteilnehmerin Vreni ist begeistert: «Ich freue mich so, das ist wie Weihnachten!»

Vom Computer aufs Holz: Der Lasergravierer brennt den Hirsch in die Oberfläche.

Sogar der WLAN-Code ist aus Holz

Die Freude am Machen ist in der Holzwerkstatt Enlain überall spürbar. Hier ist alles aus Holz, vom Türschild über die Möbel bis zum QR-Code für das WLAN, der in eine Plakette graviert ist. 

Aus grossen Fenstern blickt man in Wald und Berge, Bretter in allen Grössen und Formen sind an den Wänden verschraubt. Oben auf der Galerie stapeln sich Skateboards in einem Ständer, auf einer Werkbank liegt das Gerippe eines Surfboards.

Zwei Bretterfans finden sich

«Bretter baue ich schon mein ganzes Leben», sagt Urs Welti. Mit Surfbrettern habe er angefangen, hobbymässig in der Garage. Mit der Zeit wuchs die Nachfrage: «Immer mehr Leute fragten mich, wie das geht. Sie wollten das auch können.» Mit Ben Chick fand Welti schliesslich einen Gleichgesinnten. Dieser ist in Wales und sozusagen auf dem Surfboard aufgewachsen, er hatte ebenfalls schon jahrelange Erfahrung im Bretterbau, als er Welti kennenlernte. So entstand Enlain, und mittlerweile bieten sie zu Viert in ihrer Werkstatt Kurse an.

Eine Schreinerlehre haben sie nie gemacht, ihr Wissen haben sie sich vielmehr selber angeeignet. «Man kann 1000 Youtube-Videos schauen, aber die Details muss man sich selber beibringen», sagt Welti. Das Experimentieren und Ausprobieren liegt ihm. «Ich mag es nicht, wenn man ständig darüber redet, was man irgendwann einmal machen sollte.» Statt lange zu studieren, fängt er lieber an zu machen.

Heublumen, eine LED-Beleuchtung und 1000 Youtube-Videos

Im Moment tüftelt Welti zum Beispiel an Fotokästen mit LED-Beleuchtung; mittlerweile weiss er, welches Muster sein Laser ins Holz schneiden muss, damit es biegsam wird und dennoch stabil bleibt. Auch Namensschilder, Firmenlogos und Skipässe aus Holz (mit eingebautem Chip) sind bei Enlain zu haben. Oder warum nicht ein Balanceboard mit einem Belag aus Heublumen? Solche Einzelstücke verkauft Enlain im Onlineshop. 

Aber in erster Linie geht es ums Selbermachen, und zwar soll dies für alle möglich sein. Für die Snowboard- und Skibaukurse ist weder technisches Vorwissen noch viel Handwerksgeschick nötig. Auch alles nötige Material ist vorhanden. «Wir kaufen viele Restposten auf», sagt Welti. «Für die Schreinereien sind solche Reste nutzlos, aber bei uns kann daraus ein ganzes Paar Ski werden!»

Welche Oberfläche darf's sein? Aus solchen Holzresten können die Kursteilnehmer den gewünschten Belag auswählen.

Auch Kirchenbänke und Mooreichen landen in den Brettern

So entstehen in der Werkstatt von Enlain lauter Einzelstücke, und was für welche! Welti gerät ins Schwärmen, als er durch die Werkstatt führt. Er streicht mit der Hand über die dunkelbraun glänzende Oberfläche eines Surfboards: «Dieses Teakholz haben wir aus einer Jacht herausgerissen.» Dann zeigt er auf ein Surfbrett, das kopfüber an der Decke hängt: «Dafür habe ich das Holz eines alten Kirchenbanks aus Falera verwendet.»

Ein Kursteilnehmer habe einmal ein Stück einer 10’000jährigen Mooreiche in einem Surfboard verbaut. Ein anderer brachte das Nachttischchen seiner Urgrossmutter mit in den Kurs. Klar, dass auch dieses Holz verwertet wurde. Und es geht noch ausgefallener: Ein Multimediaelektroniker hat neulich seine Skier mit LED-Lichtern ausgestattet, die sich per App steuern lassen. Eine selbstgebaute, fahrende Disco auf Brettern: Auch das ist bei Enlain möglich.

Spezielle Bretter brauchen die richtige Pflege 

Es ist Sonntagnachmittag, inzwischen sind alle Bretter fertig geworden. Frisch geölt glänzen sie in der Werkstatt um die Wette, die sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 13 und 67 Jahren strahlen. Urs Welti versammelt die Gruppe noch ein letztes Mal, gibt Tipps für die richtige Pflege dieser speziellen Bretter und drückt am Schluss allen ein CO2-Zertifikat sowie einen Rabattgutschein für den nächsten Kurs in die Hand – alles aus Holz, natürlich.

Letzte Arbeitsschritte: Nach dem Schleifen und Ölen nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr eigenes Brett mit nach Hause.

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